Vor ziemlich genau 25 Jahren im Sommer 1993 war ich mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau das erste Mal in Greetsiel gewesen. Wir hatten in einem netten Lokal Granat (Krabben) auf Schwarzbrot mit Spiegelei gegessen (siehe Fotos). Das Fischrestaurant etwas außerhalb des Ortes gibt es übrigens heute noch. Der alte Krabbenfischer-Hafen Greetsiel war zwar auch schon 1993 bereits ein beliebter Ferien- und Touristenort gewesen, aber doch noch vergleichsweise beschaulich und gemütlich. Bei weiteren Besuchen haben wir deshalb auch Poppingas Alte Bäckerei aufgesucht und die Teestube in einer der beiden Zwillingsmühlen. Nun, all das war in den Neunzigern gewesen. Später als 1996 waren wir dann nicht mehr in Greetsiel gewesen, hatten es nur passiert, vielleicht einen kurzen Stopp bei den Zwillingsmühlen für einige Fotos eingelegt.
So sind nun eben 25 Jahre vergangen und im Juli 2018 beschlossen wir, den Ort wieder einmal zu besuchen und ein paar filmische Sequenzen festzuhalten.
Wir hätten es besser bleiben lassen sollen, denn uns traf geradezu ein "Kulturschock". Greetsiel in der Haupturlaubszeit ist alles andere als beschaulich oder gar gemütlich.
Nein, Greetsiel ist eine "Touristenfalle" par excellence geworden, völlig überlaufen, Souvenir- und Nippesläden am laufenden Band. Und es blüht der Nepp. Das fängt beim Parkscheinautomaten bereits an, der nur Ein- und Zwei-Euro-Münzen und 50-Cent-Stücke akzeptiert, nicht wechselt und nur bei akkurat eingeworfenem Geld ein Ticket druckt.
Unsere filmischen Impressionen vermögen die Wirklichkeit des "Fischerdorfes" Greetsiel nur unzureichend wiederzugeben. Nein, das ist kein Fischerdorf, da mag es sicher noch ein paar Fischer geben und die Krabbenkutter im Hafen nicht nur Foto-Staffage zu sein, nein, Greetsiel ist eine Art von ostfriesischem Disneyland.
Granat mit Spiegelei gab es diesmal nicht. Wir sind weitergefahren zum Leuchtturm von Pilsum und haben uns beim dortigen Imbiß Fischbrötchen mit Bismarck-Hering gekauft (die folgenden Fotos sind von 2003).
Die Fischbrötchen dort sind immer noch lecker, der Parkplatz allerdings kostet mittlerweile auch Gebühr. Nun ja, im Gegensatz zu vor 15 Jahren gibt es dort jetzt auch ein Toilettenhäuschen.
Die Alternative zu Greetsiel: Marienhafe und sein Störtebekerturm
Marienhafe ist von Greetsiel vielleicht fünfzehn Kilometer entfernt, aber dort ist es wirklich beschaulich.
Marienhafe im Leyhbuchtpolder lag einst am Meer, an der Leyhbucht und war Zufluchtsort des Piraten Klaus Störtebeker. Im Turm der Marienkirche soll er angeblich seine Schätze gehortet haben. Ein kleiner Rundgang um den Turm.
Die Plastik des berühmten Piraten stammt von dem (verstorbenen) bekannten ostfriesischen Bildhauer KaLu (Karl Ludwig) Böke aus Leer in Ostfriesland. Wir sehen auch, dass man das Piraten-Image ganz gut fürs Business verwenden kann. Vieles in Marienhafe ist mit dem Namen Störtebeker verbunden. Auch eine Teestube nennt sich nach dem Vitalienbruder.
Er war mit Gewißheit der berühmteste deutsche Pirat: Klaus Störtebeker, hingerichtet am 20. Oktober 1401 in Hamburg. Er war neben den berüchtigten Kapitänen Gödeke Michels, Hennig Wichmann, Klaus Scheld und Magister Wigbold einer der Anführer der auch als Likedeeler (niederdeutsch: Gleichteiler) bezeichneten Vitalienbrüder.
Die Herkunft Störtebekers ist nicht bekannt. Es wird vermutet, dass er aus der Gegend von Rotenburg (Wümme)/Verden (Aller) stammt, anderen Meinungen zufolge stammt er aus Wismar. Im Liber proscriptorum, dem „Verfestungsbuch“ der Stadt Wismar, ist im Jahre 1380 ein Vorfall festgehalten, wonach zwei Wismarer Bürger aus der Stadt gewiesen wurden, weil sie einem anderen in einer Schlägerei verschiedene Knochenbrüche zugefügt hatten. Der Betroffene der Auseinandersetzung wird als "nicolao stortebeker" bezeichnet. Es spricht einiges dafür, dass dieser Nikolaus Störtebeker später als Klaus Störtebeker in die Geschichte einging.
Angeblich hat sich der Freibeuterkapitän den Namen Störtebeker (aus dem Niederdeutschen von „Stürz den Becher“) wegen seiner Trinkfestigkeit als Spitznamen verdient. So soll er einen 4-Liter-Humpen (einen ellenhohen Becher) Wein oder Bier in einem Zug leergetrunken haben.
Ins öffentliche Bewußtsein trat Störtebeker nach der Vertreibung der Vitalienbrüder von Gotland als Kapitän der Likedeeler. Dort hatten die Vitalienbrüder, die sich als Freibeuter selbstständig gemacht hatten, von 1394 bis 1398 Schutz hinter den Mauern der Stadt Visby gesucht. Ursprünglich unterstützten sie König Albrecht von Schweden im Kampf gegen die dänische Königin Margarethe I. und betrieben dazu auch Seeräuberei in Nord- und Ostsee. Den Übergriffen auf die Schiffe der Dänen und Lübecker, die auf dänischer Seite standen, folgten bald Überfälle auf andere Schiffe der Hanse. Hierfür hatten die Vitalienbrüder Kaperbriefe erhalten. Damit konnten sie die erbeuteten Waren in Wismar frei auf dem Markt verkaufen.
Seit 1396 hatte Störtebeker auch Unterstützung in Marienhafe, Ostfriesland, wo er eine Tochter des friesischen Häuptlings Keno ten Broke geheiratet haben soll. Zugleich soll ihm in der Kirche St. Marien Unterschlupf gewährt worden sein, weshalb der Kirchturm "Störtebekerturm" genannt wird. Am 15. August 1400 beurkundete Herzog Albrecht I. von Bayern und Graf von Holland und Hennegau einen mit den Vitalienbrüdern geschlossenen Vertrag. Diesem zufolge nahm er 114 Vitalienbrüder auf und stellte sie unter seinen Schutz. Diplomatischer Druck seitens der Hansestädte führte zum Verlust dieser Operationsbasis.
Ein bayerischer Herzog stellt im hohen Norden einen Schutzbrief aus? Ja, wie das denn?
Nun, das hat etwas mit dem Herzogtum Straubing-Holland zu tun.
Das wittelsbachische Teilherzogtum Straubing-Holland (auch Niederbayern-Straubing-Holland, Niederbayern-Straubing, Bayern-Straubing-Holland oder Bayern-Straubing) umfasste Teile des heutigen Niederbayern und der östlichen Oberpfalz sowie die niederländischen Grafschaften Hennegau, Holland, Zeeland und Friesland. Es bestand von 1353 bis 1425/29 und wurde von Straubing und Den Haag aus regiert. Das Herzogtum entstand in der Folge der wittelsbachischen Erbteilungen nach dem Tod des römisch-deutschen Kaisers Ludwigs des Bayern und zerfiel, als die Straubinger Linie im Mannesstamm ausstarb. Unter der Herrschaft der Herzöge von Straubing-Holland, die durch Ehebündnisse mit allen bedeutenden Nachbarn verbunden waren, wurde die Grundlage der niederländischen See- und Handelsmacht gelegt.
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