Als ich zum ersten Mal auf dem Gipfel des Schnepfenried stand, war ich gerade drei Jahre alt und machte meine ersten Versuche auf zwei Skiern. Das war 1955 gewesen, zu einer Zeit, als im Elsaß niemand mehr deutsch sprechen wollte (oder sollte?). Das hat aber insbesondere meinen Großvater nicht davon abhalten können, zu allen Jahreszeiten mit seinem Enkel aus der Pfalz hier herüber zu kommen, um die grandiose Natur zu genießen. Im Laufe der Jahre habe ich so dort oben Ski fahren gelernt und die französische Sprache. Und heute ist es nun, Gott sei Dank, wieder so, dass sich meine Unterhaltung mit Elsässern jetzt, häufig genug in fließendem Übergang, in vier Sprachen vollzieht: deutsch, französisch, elsässisch und pfälzisch. Denn unsere Dialekte sind miteinander verwandter als unsere offiziellen Muttersprachen.
Der Schnepfenried liegt in den Südvogesen, hoch über dem Münstertal und dem Tal der Fecht, inmitten einer beeindruckenden Gebirgslandschaft, nicht weit von der Route des Crêtes, der im Ersten Weltkrieg von der französischen Armee gebauten Höhenstraße, die den Vogesenkamm auf einer Länge von 80 Kilometern von Thann im Süden über den Col de la Schlucht bis zum Col du Bonhomme im Norden durchzieht.
Die Eiszeit hat hier die Gipfel rund gehobelt, was man auch an den Namen des Grand Ballon oder des Petit Ballon erkennen kann, und Gebirgsseen und tief eingeschnittene Täler hinterlassen.
Früher haben die Viehhändler, wenn Sie den Col de la Schlucht vom Münstertal kommend erreicht hatten, zum Dank für erfolgreiche Gebirgsüberquerung erst ein paar Tropfen Schnaps vergossen, bevor sie sich selbst einen genehmigten.
Nicht weit von dort empfiehlt sich der Besuch eines historischen Monumentes, des Schlachtfeldes aus dem Ersten Weltkrieg am Colet du Linge, dem Lingenkopf, wo im Sommer des Jahres 1915 auf deutscher Seite Soldaten des 74. hannoverschen Reserveinfanterieregiments, die meisten davon aus dem flachen Ostfriesland, den kampferprobten französischen Alpenjägern gegenüberlagen und sich erbitterte Kämpfe um die befestigten Höhen lieferten. Beim Rundgang durch die Gedenkstätte sollte man tunlichst die markierten Wege durch die Schützengräben und Gefechtsstände nicht verlassen, denn die explosiven Überbleibsel der Kämpfe finden sich in Form von Artilleriegranaten noch allenthalben am Lingenkopf. Auch sind die Exhumierungsarbeiten der Gefallenen und Vermissten bis zum heutigen Tage nicht vollständig abgeschlossen.
Nach der Exkursion in die blutigen Kapitel der Geschichte der Vogesen, die sicher bleibende Eindrücke hinterlassen wird, sollte man sich wieder den erfreulicheren Seiten dieser Region zuwenden.
Eine Besonderheit in den Hochvogesen sind die Ferme Auberge, Almen, die auch Gastronomie und Unterkunft offerieren, meist nur geöffnet zwischen Mai und Ende Oktober, wenn die Almbauern ihr Vieh wieder zu Tal bringen. Das Label „ferme auberge“ ist in Frankreich geschützt und garantiert die „ländliche Herkunft“ der Produkte, die bei den angebotenen Mahlzeiten Verwendung finden, typische Vogesenküche, meist eröffnet mit einer schmackhaften Gemüsesuppe und dann gefolgt von Fleischpasteten oder deftigem von Rind und Schwein mit Bratkartoffeln mit Speck. Als Nachtisch wird in der „Stuwa“, dem rustikal eingerichteten Gastraum, gerne der „Siesskas“ gereicht, junger Münsterkäse, mit Zucker bestreut und mit Kirschwasser übergossen.
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