Mittwoch, 3. Juli 2019

Die Moorkolonisation in Ostfriesland


Im Fehntjer Land

Fehn (niederländisch Veen ‚Moor‘) bezeichnet sowohl die Moorkanäle als auch die Siedlungen (Fehnsiedlung) entlang dieser Kanäle.


Die Endung -fehn (auch -vehn, -venn, -fenn, -feen) als Bestandteil von Ortsnamen bezeichnet im niederdeutschen Raum eine morastig-sumpfige Niederung oder ein Moor. Ortsnamen mit dieser Endung kommen am häufigsten in Ostfriesland vor, aber auch im Ammerland, in anderen Gebieten Niedersachsens und in Schleswig-Holstein.

In Ostfriesland und den unmittelbar angrenzenden Gebieten deutet ein Ortsname auf -fehn des Öfteren, aber nicht immer auf eine spezielle Form der Moorsiedlung aus der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert hin, die an ins Moor getriebenen Kanälen entstanden ist.

Die Fehnkultur kann als eine Form der Binnenkolonisierung gelten, da sie bis dahin unbewohnte und unbewohnbare Gebiete für eine relativ intensive Besiedlung erschlossen hat. Sie hängt mit Kanalbau und Torfstechen zusammen und wurde in den Niederlanden entwickelt, wo die älteste Kolonie das im Jahr 1599 gegründete Oude Pekela ist.

Die „ideale“ Fehnsiedlung besteht, in den Niederlanden wie in Deutschland, aus einem oder mehreren ins Moor getriebenen, ursprünglich schiffbaren Kanälen, an denen die Siedlerhäuser wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind. Der Fehnkanal, die Hauptwieke, diente zunächst zur Entwässerung des Moores, zum Abtransport des Torfes mit getreidelten Schiffen und zur Anfuhr von Baumaterial, Dünger usw. Von der Hauptwieke aus wurden häufig noch Seiten- und Nebenkanäle, die In- und Achterwieken, angelegt. Beiderseits der Kanäle errichteten die Siedler ihre einfachen, einheitlich gebauten Häuser. Die sich oft über Kilometer hinziehenden Reihensiedlungen wirken trotz ihrer Gleichmäßigkeit nicht eintönig.

Die Lebensbedingungen der ersten Siedler (Fehntjer) waren durchweg erbärmlich. Zur Wohnung dienten zunächst nur primitivste Hütten aus Torfplacken und die Nahrungsversorgung blieb auf wenige Komponenten beschränkt. Nachdem aber die erste Not überstanden war, verstanden es die Bewohner, ihre Wirtschaftsgrundlage auszubauen, und die Fehnsiedlungen erlebten in der Folgezeit einen merklichen Aufschwung. Das geflügelte Wort "Den Ersten sien Doad, den Tweten sien Not, den Dridden sien Broad" soll aus der Zeit der Fehnbesiedelung stammen. Viele Fehntjer fanden in der Neuzeit andere Einkommensquellen, zum Beispiel in der Seeschifffahrt.

Marcardsmoor

Die Kreuzkirche in Marcardsmoor wurde 1907 erbaut.


Marcardsmoor ist eine Moorkolonie in Ostfriesland und ein Stadtteil von Wiesmoor.

Der Ort wurde nach Eduard Marcard, ehemaliger Unterstaatssekretär im preußischen Landwirtschaftsministerium, benannt. Dieser hatte sich um neue Methoden in der Moorkultivierung verdient gemacht.

Marcardsmoor liegt auf dem Oldenburgisch-Ostfriesischen Geestrücken und dort innerhalb des ostfriesischen Zentralmoores. Um 1900 wies die Gegend noch eine Torfmächtigkeit von etwa acht Metern auf. Seit den 1950er-Jahren besteht in Gestalt der Landesstraße 12 auch eine Straßenverbindung nach Wiesmoor und weiter zur Autobahn 28. Bis dahin waren der Nordgeorgsfehnkanal sowie eine Feldbahn die wichtigsten Verkehrsträger.

Der Ort war der erste, der im späten 19. Jahrhundert nach der so genannten "Deutschen Hochmoorkultur" angelegt wurde. Diese sah vor, dass nach der Entwässerung des Moores mithilfe von Kunstdünger eine landwirtschaftliche Nutzung ermöglicht werden sollte. Nachdem von 1882 bis 1888 der Ems-Jade-Kanal angelegt wurde, begann die preußische Zentralmoorkommission mit der Kultivierung eines rund 2.100 Hektar großen Gebietes nördlich und südlich des Kanals.

1888 war der Kanal bereits fertiggestellt. Diese relativ kurze Bauzeit läßt sich durch den massiven Einsatz von Arbeitskräften und die militärische Wichtigkeit dieses Projektes erklären. Der militärische Aspekt scheint auch der Grund für die relativ kurze Moorstrecke des Kanals (10 km) zu sein, der nach ursprünglichen Plänen das Hochmoor für die Besiedlung vorbereiten und eine größere Fläche entwässern sollte. Durch diesen Kanal war es möglich geworden, militärische Güter von Emden nach Wilhelmshaven (gegr. 1869) zu transportieren, ohne die offene See benutzen zu müssen.

Das Museum der Armut in Moordorf

Vom harten Leben der Moorkolonisten zeugt das Museum in Moordorf.


Nach dem Erlass des Urbarmachungsediktes durch König Friedrich II., der 1744 die Macht in Ostfriesland angetreten hatte, begann 1767 in der Südbrookmer Vogtei die Besiedlung von Moordorf. Die Preußischen Verwaltung teilte die wüsten unbebauten Heidefelder und Moore auf und vergab sie zwecks Kultivierung an Siedlungswillige. Im Gegensatz zu anderen Projekten der Binnenkolonisation der Preußen geschah die Besiedelung in Moordorf sehr unvorbereitet. Während etwa in den Fehnsiedlungen die Gründer durch die Anlage von Kanälen für eine Entwässerung sorgten und damit eine wichtige Voraussetzung für eine zügige Kultivierung schufen, überließ die preußische Verwaltung die ersten Siedler in Moordorf ihrem Schicksal.

Auch für die Auswahl der Siedler zeigten die staatlichen Stellen kein großes Interesse. Unter den ersten Kolonisten fanden sich viele mittellose Tagelöhner oder Heuerleute aus dem Umland, die der dortigen Überbevölkerung zu entkommen versuchten. Die Mehrheit der Siedler (70 Prozent) stammte aus Ostfriesland, die anderen aus den Provinzen Oldenburg und Hannover sowie dem übrigen Deutschland. Hinzu kamen ausgediente Soldaten aus dem Heer des Königs, von denen nur zwei dauerhaft in Moordorf verblieben. Die Preußen lockten sie mit der Hoffnung auf eine eigene Landstelle nach Moordorf.

Die ersten Siedler erhielten Grundstücke von 50 Ruten Breite (etwa 188 m) entlang des sogenannten Schwarzen Weges, einem Teilstück der von Aurich nach Norden führenden Heerstraße, zugewiesen. Diese sollten die sie in Richtung Moor verbreitern. Durchschnittlich waren die Kolonate zwischen 2 und 6 Diemat (etwa zwischen 11.400 und 34.200 m²) groß. Damit waren die Parzellen viel zu klein, um die Siedler zu ernähren. Hinzu kam, dass der unergiebige Boden durch die Moorbrandkultur schnell erschöpft war. So konnte die Bewohner die Erbpacht häufig nicht mehr zahlen. Viele Kolonisten versanken in Armut. Als Hauptursachen des Elends gelten die weitgehend planlose Besiedlung ohne staatliche Kontrolle, die viel zu kleinen Kolonate, der Mangel an Infrastrukturmaßnahmen, wie die Anlage von Kanälen im Moor (siehe auch Fehnsiedlungen), die fehlende Siedlerauswahl und der unaufhörliche Zustrom mittelloser Siedler. Dennoch war die innere Kolonisation des moorreichen Ostfrieslands im 18./19. Jahrhundert ein lohnendes Projekt des preußischen Staates. Die jährlichen Einnahmen beliefen sich in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf stattliche 200.000 Taler bei nur geringen Investitionen. So vergab die Verwaltung weiterhin Kolonate in Moordorf. Dazu kam die wilde Besiedlung und die häufig praktizierte Teilung der ohnehin schon zu kleinen Grundstücke. Infolge von Geburtenüberschüssen und der nicht nachlassenden Zuwanderung nahm die Bevölkerung schnell sehr stark zu. Moordorf gehörte so zu den bevölkerungsreichsten Moorkolonien in Ostfriesland, war aber gleichzeitig deren ärmste. Die Verfasser einer Untersuchung aus dem Jahre 1869 stuften 49 Prozent der Einwohner als arm ein.

In Moordorf spitzte sich die soziale Situation weiter zu. Der Ort gehörte zu den kinderreichsten und gleichzeitig ärmsten Dörfern Deutschlands. Die Siedler lebten in armseligen Lehmkaten, die oftmals aus nur zwei Räumen bestanden: einem Wohnraum und einem Stall. In diesen Hütten übernachteten nicht selten drei bis vier Kinder in einem Bett. Die große Armut des Ortes drückte sich auch in der Bekleidung aus, sodass die Moordorfer sofort erkennbar waren. Bis weit in den Herbst liefen die Kinder barfuß herum, und das, obwohl es im Moor wesentlich früher als in anderen Landstrichen friert. An schulische Bildung war bei den meisten Kindern nicht zu denken. Sie mussten schon früh zum Lebensunterhalt der Familien beitragen. Die Jungen und Mädchen landeten vielfach als Knechte oder Mägde beim Bauern, mussten bei den Eltern mitarbeiten oder betteln.

Die große Armut und die dadurch auftretenden Begleiterscheinungen, wie das Betteln und der Verkauf von selbstgeflochtenen Weidekörben und Trödel, führten zu vielen Gerüchten, welche von Historikern längst widerlegt sind. So hieß es lange Zeit, der Ort sei von Zigeunern – seinerzeit ein Schimpfwort – besiedelt worden oder eine Strafkolonie gewesen.

Papenburg im Emsland ist die älteste Fehnkolonie (Moorkolonie) in Deutschland.


Papenburg - neugotische katholische Sankt-Antoniuskirche - Museumsschiffe - Im Eiscafé



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