Mittwoch, 7. August 2019

Burgen in Ostfriesland


Häuptlingsburgen in Ostfriesland


Herrschaft und Wehrbau nahmen in Ostfriesland eine grundlegend andere Entwicklung als anderswo in Mitteleuropa. So konnte sich weder ein flächendeckendes Herrschaftssystem etablieren noch akzeptierten die Ostfriesen vor dem 15. Jahrhundert die gegenständlichen Attribute von Ritterschaft und Adel. Dagegen sah die ostfriesische Gesellschaftsstruktur Grundbesitz als Eigentum vor. Als eigenständiger Baustil hat sich dabei das Steinhaus als ostfriesische Variante des Donjon herausgebildet, von denen in der Region jedoch nur wenige erhalten blieben. Die meisten Burgen wurden nach dem Übergang Ostfrieslands an Preußen (1744) zerstört, andere zu Schlössern ausgebaut. Charakteristisch für Ostfriesland sind Burgen aus Backstein, die auf Warften errichtet wurden.

Über Jahrhunderte konnten sich in Friesland keine adeligen Strukturen durchsetzen, während in Europa die Feudalherren regierten. Gegen Ende der Karolingerzeit entstand ein Verbund zunehmend von den herrschaftlichen Gruppen im Kernland des Frankenreichs abgekoppelter Bezirke, den Landesgemeinden, die sich symbolisch als die Sieben Seelande bezeichneten. In dieser antifeudalistischen Stimmung wurde der gerüstete Ritter, der "sareda riddere" zum Feindbild schlechthin, dem die Friesen ihr Selbstbild in einem mit Lanze oder Schwert sowie Rundschild bewaffneten Fußkrieger entgegenstellten. Dementsprechend war ihnen die Burg als Ausdruck des Feudalismus verhasst und der Bau einer solchen dem Einzelnen verboten.

Der Upstalsboom bei Aurich, das Symbol der "Friesischen Freiheit"

Eala freya fresena! – Willkommen, ihr freien Friesen!

Der Upstalsboom (niederländisch Opstalboom, altfriesisch Opstallisbaem) war während der Zeit der Friesischen Freiheit im 13. und 14. Jahrhundert die Versammlungsstätte der Abgesandten der friesischen Landesgemeinden, der Sieben Seelande, westlich der heutigen Stadt Aurich. Sie regelten dort das Zusammenleben innerhalb der Landesgemeinden und vertraten den Bund politisch nach außen. Seit 1833 erinnert eine Steinpyramide an diese Zusammenkünfte. In der Zeit des Nationalsozialismus sollte das Gelände zu einem Thingplatz umgestaltet werden. Diese Pläne kamen aber nicht mehr zur Ausführung, so dass das Aussehen des Geländes seit 1879 weitgehend unverändert ist. Heutige Eigentümerin des Areals ist die Ostfriesische Landschaft.


Die Bezeichnung Sieben Friesische Seelande (kurz auch nur Sieben Seelande) ist eine symbolische Beschreibung für die Mitglieder des mittelalterlichen Upstalsboom-Bundes zu Zeiten der friesischen Freiheit. Die Zahl Sieben stellt dabei keinesfalls die tatsächliche Anzahl der freien friesischen Lande dar, sondern symbolisiert die Gesamtheit der Frieslande, auch Gesamt-Friesland ("Tota Frisia") genannt. In der Realität gehörten je nach aktueller politischer Entwicklung bis zu drei Dutzend selbstständige friesische Gemeinwesen zwischen Zuidersee und Weser dem Bund an.

Die ersten Burganlagen entstanden wohl am Rande der Landesgemeinden und wurden von diesen zur Verteidigung gegen ihre Nachbarn errichtet.

Ab dem 13. Jahrhundert zerfiel die Friesische Freiheit zusehends. Die Entwicklung verlief dabei in den einzelnen Landesgemeinden höchst unterschiedlich. Während einige bereits früh in die Abhängigkeit lokaler Familien gerieten, bewahrten sich andere noch ihre republikanische Verfassung.

Vor allem in den Marschengebieten sorgte das Zusammentreffen von Handel und Landwirtschaft an Orten mit direktem Meereszugang dafür, dass einzelne Geschlechter so viel Macht anhäuften, dass sie sich bereits im 13. Jahrhundert über das Verbot des Baues von Burgen und Steinhäusern hinwegsetzen konnten. Im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunderts sorgten Ereignisse wie etwa der Ausbruch der Pest und große Sturmflutkatastrophen für eine weitere Destabilisierung der Verhältnisse. Dabei konnten die besitzenden Familien die Schäden wohl eher verkraften als ärmere Familien und wurden so immer mächtiger. Schließlich schufen sie ein Herrschaftssystem, in dem sie als "Häuptlinge" (hovedlinge) die Macht über mehr oder weniger weite Gebiete an sich rissen. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts entwickelten sich unter den einzelnen Häuptlingsfamilien Fehden, die bis zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt wurden.

Und im Zuge dieser Fehden entstanden nun Burgen als Wehranlagen.

Erst der Aufstieg der Cirksena um 1430, als Edzard Cirksena sich als Anführer eines Bundes der Freiheit durchgesetzt hatte, beendete diese von lang anhaltenden Fehden geprägte Phase, zugleich aber auch die Sonderstellung der regionalen Gesellschaftsverfassung. Ulrich Cirksena, ein Angehöriger eines der letzten einflussreichen Häuptlingsgeschlechter, wurde 1464 von Kaiser Friedrich III. in den Reichsgrafenstand erhoben und mit Ostfriesland als Reichsgrafschaft belehnt.


Manningaburg in Pewsum, Osterburg in Groothusen und Burg Berum bei Hage

Mit der Etablierung der Cirksena-Herrschaft ließ die Bedeutung der Burgen als Verteidigungsbauten nach. Dagegen steigerte sich das Bedürfnis der adelsähnlichen ostfriesischen Oberschicht, repräsentative Gebäude zu errichten. Viele Steinhäuser wurden danach durch ein-, zumeist zweigeschossige schmale, aber lange Saalbauten abgelöst. Den Anfang markiert die Osterburg in Groothusen, die nach ihrer Zerstörung um 1490 neu errichtet wurde. An Stelle des alten Steinhauses entstand dabei ein zweigeschossiger Bau. Mit den Saalbauten, die eher einen repräsentativen als wehrhaften Charakter hatten, wurde die Entwicklung zu mehrflügeligen Wasserburgen und Schlössern neuerer Zeit eingeleitet.

So bauten die ärmeren Adeligen ihre Häuser zu Dreiflügelanlagen aus, indem sie den Saalbauten für landwirtschaftliche Zwecke eine Gulfscheune (so etwa bei der Osterburg in Groothusen) sowie ein Trakt mit Wohn- und Wirtschaftsräumen anfügten. Die einflußreichsten Geschlechter errichteten dagegen schlossähnliche Vierflügelanlagen mit einem kleinen Innenhof (Beispiel: Die Norderburg in Dornum). Nahezu alle dieser Bauten sind mit Graften umgeben.

Die Norderburg in Dornum sieht man u.a. im folgenden Video:




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